Kapitel 2: Römischer Wahnsinn
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KANOPUS; PALAST DES PRÄFEKTEN, SCHLAFGEMACH

Der Diener will gerade damit beginnen, die Räumlichkeiten herzurichten.

XENA:
(schnippisch)
„Ich sorge selber für meine Herrschaften. Du kannst gehen!“

Der Ägypter widerspricht nicht und verlässt unmittelbar den Raum. Sie lauscht den sich entfernenden Schritten zu, dann öffnet sie die Tür und tritt in den Flur hinaus. Weitverzweigte Gänge, die links und rechts zu weiteren Räumen führen, sind zu sehen.
Sich an dem Weg, den sie gekommen waren, orientierend, gelangt sie zurück in die Nähe des Empfangsraumes.


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GROßER FLUR

Sie kann die Stimmen von Gabrielle und des Präfekten hören und kommt schnell zu dem Schluss, dass die Bardin Tiberius um den kleinen Finger wickelt.

XENA:
(leise, zufrieden)
„Gut gemacht, Gabrielle. Er frisst dir aus der Hand.“

Dann vernimmt sie ein 'Pssst!'. Es kommt von dem gegenüberliegenden Gang und Autolycus lugt mit dem Kopf um die Ecke. Er winkt die Kriegerprinzessin zu sich.



AUTOLYCUS:
„So. Laut dem Plan, den ich habe, befindet sich das Schlafgemach des Präfekten den
zweiten Gang rechts, dritte Tür, von hier ausgesehen.“

Sie gehen leise die Gänge entlang und kommen schließlich in die Nähe besagter Tür. Die Wache vor dem Eingang ist ein ziemlich sicheres Zeichen dafür, dass der Plan richtig ist.
Xena weist Autolycus an, sich bereit zu halten. Dann geht sie auf die Wache zu.

WACHE:
„Halt! Was hast du hier zu suchen?“

Er schaut sie etwas verwundert an.

XENA:
(unschuldiger Tonfall)
„Ich habe mich verlaufen. Ich armes Ding bin doch ganz fremd hier. Könnte mir nicht
ein starker, stattlicher Soldat den Weg weisen? Unser Zimmer war in einem Korridor,
in dem die Statue des Gottes Mars steht.“




WACHE:
„Hallo Schätzchen! Da kann ich dir helfen. Ich kenne mich hier aus wie in meiner
Westentasche. Und ich denke, ich hab den passenden Schlüssel für das Schlüsselloch.“

Sichtlich geschmeichelt und beruhigt geht der Soldat einige Schritte voraus. Xena folgt ihm. Als sie die Ecke, an der Autolycus wartet, erreichen, muss eine Ägyptische Vase ihr Dasein am Kopf des Soldaten beenden.

XENA:
(grinsend auf den bewusstlosen Soldaten blickend)
„Hallo Schätzchen. Nun ist der Schlüssel abgebrochen. Los du Meisterdieb, mach die
Tür auf! Gabrielle kann sich nicht ewig mit dem Präfekten beschäftigen.“

Sie ziehen den Körper in eine Ecke, die nicht sofort einzusehen ist.
Für den König der Diebe ist es eine Leichtigkeit, das Schloss zu knacken. Ein paar geschickte Handgriffe und die Tür ist offen.



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SCHLAFGEMACH DES PRÄFEKTEN

Sie beginnen, den Raum zu durchsuchen. Doch ohne Erfolg.

AUTOLYCUS:
„Was nun? Wo könnte er das Ding aufbewahren?“

XENA:
„Vielleicht trägt er ihn bei sich, oder er ist in seinem Empfangsraum. Woher soll ich
das denn wissen? Wir sollen verschwinden. Das Ganze ist mir nicht geheuer.“


AUTOLYCUS:
„Nun sei doch nicht immer so pessimistisch. Zumindest sind wir im Palast, oder?“

Gerade als sie das Zimmer verlassen wollen, ist großer Lärm vom Korridor her zu vernehmen.

XENA:
„Verdammt, da ist was schief gegangen.“

Es sind laute und schnelle Schritte zu hören. Sie passieren vor der Schlafkammer des Präfekten und es klingt so, als würden sie in Richtung der Empfangshalle verschwinden.

AUTOLYCUS:
„Was kann denn geschehen sein?“

XENA:
„Ich habe so das Gefühl, Gabrielle hat den ärger, dem wir aus dem Weg gehen wollten.
Sie hat manchmal ein Händchen dafür. Dabei musst du wissen: Wir sind im Urlaub.“





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GROßER KORRIDOR

Xena und Autolycus können von weitem beobachten, wie die Tür zur Empfangshalle geöffnet wird. Ein Soldat zerrt Gabrielle am Arm hinter sich her. Dahinter erscheint der Präfekt.

Der Kriegerprinzessin stockt der Atem.

TIBERIUS:
(laut rufend)
„LOS SUCHT DIE VERRÄTER.“

Es ist eine dieser Situationen, in denen selbst die Kriegerprinzessin ratlos ist. Was sollen sie tun?



AUTOLYCUS:
„Was machen wir denn nun? Wir müssen hier raus bevor sie den ganzen Palast abgeriegelt haben.“

XENA:
„Und Gabrielle? Ich kann sie doch nicht zurücklassen...“

In genau diesem Augenblick spürt der König der Diebe etwas Kaltes in seinem Nacken. Ruckartig dreht er sich um. Auch Xena verspürt in ihrem Rücken die Spitze einer Klinge.

AUTOLYCUS:
„Nun, ich glaube die Entscheidung wurde uns gerade abgenommen.“

Hinter ihnen stehen mehrere Soldaten, alle schwer bewaffnet. Xena denkt bereits darüber nach, in den Angriff überzugehen. Dann blickt sie zu Gabrielle und sieht das Messer, das ihr der Präfekt an die Kehle hält. Sie kann es nicht riskieren etwas zu unternehmen. Sie schaut zu Autolycus, der sich ebenso hilflos umsieht.



PRÄFEKT:
„Bringt die Eindringlinge in den Empfangsraum.“

Er drängt die Bardin zurück in den Raum.
Von zwei Duzend Soldaten begleitet, werden Xena und Autolycus dem Gang entlang getrieben.


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EMPFANGSRAUM DES PRÄFEKTEN

Gabrielle wagt es nicht, sich zu rühren. Sie hat Angst und ist wütend zugleich. Die Klinge, die sie an ihrem Hals spürt, hat die Haut bereits ein wenig eingeritzt. Schutzlos steht sie mitten in dem großen Raum. Dann, nach einigen unendlich erscheinenden Sekunden...
Die Tür wird mit Wucht geöffnet und Gabrielle sieht, wie ihre Freunde zu Boden gestoßen werden. Sie spürt den keuchenden Atem des Präfekten in ihrem Nacken. Angeekelt dreht die Bardin den Kopf zur Seite.

TIBERIUS:
„Auf einmal so schüchtern? Claudia... Oder wie immer du auch heißt.“

Gabrielle sagt kein Wort. Aus dem Augenwinkel sieht sie den Mann mit Verachtung an. Er scheint sich zu amüsieren, ist selbstgefällig und fühlt sich seiner sehr sicher.

Xena blickt besorgt zu Gabrielle. Fieberhaft sucht sie nach einem Ausweg. Doch es scheint dieses Mal keinen zu geben.

Sie sieht in das Gesicht des Tiberius. Der Blick, der ihr entgegenschlägt, ist der eines Menschen, den der Wahn befallen hat. Seine Augen funkeln und ein widerliches Grinsen umspielt seine Mundwinkel.

TIBERIUS:
„Einer meiner Soldaten hat eure blonde Freundin sogleich wiedererkannt. Sie war
verantwortlich für den Aufruhr... und meine Kopfwunde.
Außerdem seid ihr im Besitz von etwas, das mir gehört. Wo ist der Papyrus?“

Wenige Sekunden herrscht Schweigen.

AUTOLYCUS:
„Er ist sicher verwahrt, du Wahnsinniger.“

Ein Soldat tritt Autolycus in den Rücken. Unsanft fällt er auf den Boden.



GABRIELLE:
„Sagt ihm nichts, er darf seinen Plan nicht ausführen.“

Wieder ritzt die Klinge ihre Haut etwas ein als sie den Kopf bewegt.

XENA:
„Wenn ihr etwas geschieht, dann... du hast keine Ahnung was dann hier geschehen wird.“

Tiberius schmunzelt.

TIBERIUS:
„So, du bist anscheinend sehr besorgt um deine Freundin. Ich soll ihr also nichts zuleide tun?
Vielleicht ist gerade das, ein kleiner Anreiz für euch...“

Was dann geschieht, lässt Xena das Blut in den Adern gefrieren.

Xena ist zunächst wie erstarrt. Sie sieht wie Gabrielle fällt, aber es geschieht vor ihren Augen fast so, als würde es im Traum ablaufen.
Wie es genau passiert ist, daran kann sich die Kriegerprinzessin nicht erinnern. Alles ist so schnell gegangen.
Sie starrt auf den leblosen Körper der Bardin.


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Sie starrt auf den leblosen Körper der Bardin. Blut fließt aus einer klaffenden Wunde am Hals. Über ihr steht Tiberius. Noch immer hält er das Messer in der Hand.

Wie von Sinnen schlägt Xena um sich. Sie denkt nicht nach, sondern handelt einfach. Völlig planlos stürmt sie auf den Präfekten los.

AUTOLYCUS:
(entsetzt rufend)
„NICHT!!! Du kannst doch nichts mehr tun!“

Kaum sind die Worte an ihr Ohr gedrungen, verspürt sie einen dumpfen Schlag.

Sie fällt vor Gabrielle zu Boden und sieht nur noch die leblosen Augen. Passiert das alles wirklich? Xena kann keinen klaren Gedanken fassen.
Dann vernimmt sie von weit her die Stimme von Tiberius.

TIBERIUS:
„Ist das Anreiz genug für euch?
Bringt mir die Zauberformel und vielleicht ist das die Rettung für deine Freundin.“


Autolycus begreift als Erster was damit gemeint ist.

AUTOLYCUS:
„Was ist mit dem Schlüssel? Ohne ihn können wir das Rätsel nicht lösen.“

Der Präfekt geht zu seinem Schreibtisch und öffnet eine Schublade. Dann holt er einen kleinen Beutel hervor und wirft ihn zu Xena auf den Boden.

Tränen laufen der Kriegerprinzessin übers Gesicht.

Sie streicht Gabrielle über das Haar. Nur langsam wird ihr bewusst, dass die Zauberformel die einzige Rettung ist. Wenn es denn kein Ammenmärchen ist. Doch Gabrielle hatte daran geglaubt. Schließlich hatten sie schon so oft das auf den ersten Blick unmöglich Erscheinende erlebt.
Sie legt den Kopf der Bardin in ihren Schoß. Dann sieht sie zu Tiberius.

XENA:
(kalt)
„Wir werden dir diese Zauberformel beschaffen. Aber solltest du mich hereinlegen,
dann glaube mir, werde ich Dinge mit dir anstellen, die du dir nicht vorstellen kannst.“


TIBERIUS:
„Wer bist du überhaupt?“



XENA:
(verbissen)
„Dein schlimmster Alptraum.“


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EMPFANGSRAUM DES PRÄFEKTEN

Autolycus ist langsam aufgestanden und kniet neben der Kriegerprinzessin. Er nimmt den kleinen Beutel an sich.

TIBERIUS:
(hämisch grinsend)
„Morgen wird der Leichnam des großen Cäsar hier in Kanopus eintreffen.“

AUTOLYCUS:
„Du hast ihn aus Rom entführt?“

TIBERIUS:
„Ich habe zu viele Feinde in Rom. Aber hier wird mich niemand aufhalten. Und wenn
der große Julius Cäsar erst wieder unter uns ist, wird die ganze Welt vor ihm niederknien.“

(dabei hebt er die Arme in die Höhe, wie zu einem Gebet)
„Sie werden ihn als Gott verehren ebenso wie mich, seinen Erretter.“

XENA:
(schlägt die Hand vor das Gesicht)

„Du bist noch wahnsinniger als ich dachte.“

TIBERIUS:
„Ihr habt eine Woche Zeit. Die Zeremonie muss an einem bestimmen Ort, zu einer
genauen Zeit durchgeführt werden. In sieben Tagen, sobald die Sonne hinter der
großen Pyramide versunken ist, wird das Ritual im Tempel des Toth beginnen.“

Autolycus steht auf. Er zieht Xena am Arm, doch die reißt sich los.

XENA:
„Ich kann Gabrielle doch nicht einfach hier lassen.“

AUTOLYCUS:
„Du kannst ihr hier nicht helfen. Das Rätsel, wir müssen es lösen.“

TIBERIUS:
„Wie rührend.
Ich werde den Körper zum Tempel bringen lassen. Ihr solltet nun gehen.
Sehr viel Zeit bleibt euch nicht.“


Xena dreht sich langsam um. Sie weiß, dass es nur diese eine Möglichkeit gibt. Während sie sich zusammen mit Autolycus der Tür zuwendet, blickt sie sich immer wieder zurück. So als wolle sie sich davon überzeugen, dass es auch wirklich geschehen ist.
Nachdem sie die Türschwelle überschritten haben, wird die große schwere Tür mit einem dumpfen Ton hinter ihnen geschlossen.


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VOR DEM PALAST

Das Gesicht der Kriegerprinzessin verwandelt sich in eine starre Maske. Autolycus sieht sie mit Entsetzen an. Diesen Ausdruck hat er an ihr noch nie gesehen. Jedes Gefühl scheint aus ihren Zügen gewichen zu sein. Er erkennt sie kaum wieder.

AUTOLYCUS:
„Xena? Was geht in dir vor?“

Die Kriegerprinzessin geht immer schneller. Ihre Schritte sind fest und zielstrebig.



XENA:
„Wenn ich Gabrielle zurück habe, werde ich dieses Tier in Stücke reißen.“

Autolycus ist sich nicht sicher, ob er dieser Xena trauen kann.


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EINE EINSAME STRASSE

Autolycus hat sich auf den Weg gemacht um den Papyrus zu holen. Xena setzt sich an den Straßenrand und wartet.
Immer wieder lässt sie die Geschehnisse vor ihrem geistigen Auge ablaufen. Sie kann nicht glauben, dass sie es hat geschehen lassen.
Wut und Hass drohen sie zu zerfressen. Dabei hatte sie Gabrielle einst versprochen, niemals wieder die dunkle Seite in sich Überhand nehmen zu lassen, selbst wenn der Bardin etwas zustoßen sollte. Xena ringt mit sich. Ein Teil von ihr ist bereit, alles was römisch ist, zu vernichten. Ein anderer Teil lauscht auf Gabrielles beschwichtigende Worte.

Es scheint eine Ewigkeit vergangen zu sein als Autolycus zurückkehrt.

AUTOLYCUS:
„Hier ist sie. Ich hätte da auch schon einige Ideen.“

XENA:
„Dann raus damit. Ich kann im Moment nicht besonders logisch denken.“

Der Tonfall, in dem Xena mit ihm spricht, ist monoton. Autolycus versucht behutsam zu sein.
Der König der Diebe setzt sich neben die Kriegerprinzessin und entfaltet das Papier.

AUTOLYCUS:
„Also, hier steht:
Folge dem letzen Weg der Pharaonen.
Der letzte Weg ist, auch für einen Pharao, sein Begräbnis. Denkst du nicht auch?“




XENA:
„Das ist ja alles recht einleuchtend, aber weißt du wie viele Pharaonengräber es hier gibt?
Wo soll man denn da anfangen?“


AUTOLYCUS:
„Es können die alen Grabstätten, also die Pyramiden gemeint sein. Oder aber die neuen,
im Tal der Könige.“

Es erscheint ihnen ein schier hoffnungsloses Unterfangen.
Sie müssen jemanden finden, der sich mit den Riten und den Königsgräbern auskennt.
Sie haben weniger als eine Woche Zeit um dieses Rätsel zu lösen, Gabrielle ins Leben zurückzuholen, zu verhindern dass Cäsar zurückkehrt und den Präfekten zu entmachten. Das ist sogar für zwei erfahrene Abenteurer eine kaum zu bewältigende Aufgabe.

AUTOLYCUS:
„Wir sollten zum Tempel des Toth gehen. Vielleicht kann uns ein Priester weiterhelfen.“

XENA:
„Willst du wieder einen betrunken machen?“



AUTOLYCUS:
(bemüht sich, sich nicht aufzuregen)
„Es kann ja wohl nicht im Sinne der Priesterschaft sein, dass der Präfekt die alten
Rituale missbraucht. Außerdem wird es ja wohl seinen Grund haben, warum diese
Zauberformel an einem geheimen Ort versteckt wurde.“

Das klingt für Xena sehr einleuchtend. Und so machen sie sich auf den Weg zum Tempel des Toth. Jenem Tempel, in welchem das Ritual stattfinden soll und wohin die Römer Gabrielle und Cäsar bringen werden.


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